Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit – Eine Perspektive der Bildung für nachhaltige Entwicklung

Mit Künstlicher Intelligenz verbinden sich oft hohe Erwartungen, aber auch Zweifel und Skepsis. Aus einer Perspektive der Bildung für Nachhaltige Entwicklung ergeben sich aus dieser Ambivalenz rund um Künstliche Intelligenz und ihrem Einsatz einige Konflikte. KI-Systeme sollen Effizienzsteigerungen herbeiführen, Innovationen fördern, neue Formen der Teilhabe oder des (individualisierten) Lernens ermöglichen und somit einen Beitrag zu einer gerechten, fairen und klimaneutralen Zukunft leisten. Gleichzeitig gehen mit einem vermehrten Nutzen auch erhebliche ökologische und soziale Kosten von Künstlicher Intelligenz einher – von steigendem Energieverbrauch durch höhere Bedarfe an Rechenleistung über prekäre Arbeitsbedingungen bis hin zu datenbasierter Diskriminierung und der Verhärtung etablierter Machtverhältnisse. Diese Zielkonflikte verdeutlichen, dass technische Entwicklungen nicht losgelöst von Fragen globaler Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit betrachtet werden können.

Dieser Beitrag soll einen kurzen Überblick und Orientierung geben: Wo entstehen soziale, ökonomische und ökologische Kosten? Wann hilft KI tatsächlich, Nachhaltigkeit zu fördern? Und wie können Bildungsakteur*innen die eigene KI-Nutzung und die ihrer Zielgruppen zukunftsfähig und verantwortungsvoll gestalten?

Transparenz zum Datenstand: Die folgenden Aussagen orientieren sich am Kenntnisstand August 2025. Kennzahlen können sich verändern – durch technische Entwicklungen, den Ausbau erneuerbarer Energien und veränderte Strommixe oder durch das Nutzungsverhalten (z. B. mehr oder weniger Anfragen, Rebound-Effekte).

BNE: Ziele, Rahmen und Inhalte

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist ein Bildungskonzept der Vereinten Nationen (UN). Seit 2020 läuft das neueste UNESCO-Programm zu BNE, der deutsche BNE-Prozess wird von der deutschen UNESCO-Kommission und dem Bundes-ministerium für Bildung und Forschung betreut. Sie soll dafür sorgen, dass Menschen dazu befähigt werden, informierte Entscheidungen zu treffen und ihr Umfeld im Sinne einer ökologisch und ökonomisch tragfähigen, sozial gerechten und demokratisch legitimierten Zukunft mitzugestalten. Ihr zentrales Ziel ist die Gestaltungskompetenz: die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu erkennen, vorausschauend zu denken, Werte zu reflektieren, Interessen abzuwägen, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam zu handeln. BNE verbindet damit Wissensaufbau, ethische Urteilsbildung, Partizipation und praxis- und lebensweltorientiertes Handeln.

Der normative Rahmen von BNE orientiert sich an der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Dabei handelt es sich um einen globalen Aktionsplan, der 2015 von allen Mitgliedsstaaten verabschiedet wurde und 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung beinhaltet. Pädagogisch setzt BNE auf Lernendenorientierung, Kontroversität sowie Partizipation und verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: Nachhaltigkeit wird dabei nicht nur in den Unterrichtsinhalten verankert, sondern prägt auch die Organisationskultur – etwa durch die bewusste Beschaffung von umweltfreundlichem Bürobedarf, durch nachhaltige Leitlinien für den Schulalltag oder durch Kooperationen mit regionalen Partnern. Inter- und transdisziplinäres Lernen, Vielfalt und Inklusion sowie Reflexion und Handlungsorientierung sind zentrale didaktische Prinzipien, die gefördert werden, sowie die Entwicklung von positiven Zukunftsvisionen.

Die Inhalte von BNE umfassen thematische Felder wie Klima und Energie, Ressourcen und Kreislaufwirtschaft, Biodiversität, Arbeit und Transformation, globale Gerechtigkeit und Lieferketten sowie Demokratie und Teilhabe. Digitalisierung – und darin Künstliche Intelligenz – sollte als Querschnittsthema verstanden werden: Eine BNE-Perspektive betrachtet dabei unter anderem Datenflüsse, Energie- und Rohstoffbedarf, Arbeits- und Lieferketten, Fragen von Macht, Bias und Teilhabe sowie die Auswirkungen auf Demokratie und Gesellschaft. Damit bietet BNE einen strukturierten Rahmen, um Chancen und Risiken digitaler Technologien zu prüfen, Zielkonflikte sichtbar zu machen und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln.

Ökobilanz von KI – Training, Nutzung, Rebounds

Die ökologische Bilanz von KI-Systemen wird vor allem durch zwei Phasen bestimmt: das Training großer Modelle und die Nutzung (Inference). Für das Training liegen nur wenige verifizierte Zahlen vor; Laut einer Schätzung aus dem Video „Wie umweltschädlich ist ChatGPT wirklich?“[1] verbrauchte das Training von GPT3 knapp 1.300 Megawattstunden Strom – so viel wie etwa 400 deutsche Haushalte in einem Jahr – und verursachte rund 552 Tonnen CO₂. Für größere Nachfolger von GPT-3 wird der Energieverbrauch auf 7.200–60.000 MWh geschätzt – je nach Hardware und Strommix. Das in Frankreich trainierte Open-Source-Modell BLOOM kam auf 433 MWh durch deutlich saubereren Strommix (rund 30 Tonnen CO₂).

Im Bereich der Nutzung schwanken Schätzungen pro Anfrage zwischen 0,3 und 3 Wh; Sam Altman, der CEO von OpenAI, nannte im Juni 2025 als durchschnittlichen Wert einer ChatGPT-Anfrage 0,34 Wh – ohne Details zur Berechnung anzugeben. Dabei ist zu beachten, dass komplexe Prompts, die längere Bearbeitungszeit benötigen, bis zu 40 Wh benötigen können ‒ das entspricht in etwa der Nutzung eines modernen Computers für 1,5 Stunden.

Textgenerierung verbraucht deutlich weniger Energie als Bildgenerierung, die durch Berechnung von Millionen Pixeln erheblich mehr Rechenleistung erfordert. Der Energieverbrauch liegt hier im Bereich von etwa 10 bis 30 Wh pro Bild, einzelne Studien nennen auch Durchschnittswerte von rund 3 Wh. Noch höher fällt der Bedarf bei der Videogenerierung aus: Für ein 6-sekündiges KI-Video werden etwa 20 bis 110 Wh benötigt. Damit ist Videogenerierung die mit Abstand stromintensivste Variante, weil hier zahlreiche hochauflösende Einzelbilder berechnet und miteinander verknüpft werden müssen.

All die hier genannten Werte basieren auf Schätzungen und sind keine exakten Konstanten. Pauschalaussagen zu dem Stromverbrauch sind schwierig, da sie von vielen Faktoren abhängen und darüber hinaus die genauen Informationen von den Anbietern häufig unter Verschluss gehalten werden. Der Energieverbrauch von KI sinkt dank der Entwicklung effizienterer Hardware und (Trainings-)Verfahren. Dass dies den Energieverbrauch insgesamt reduzieren könnte, ist zu bezweifeln: Durch den Rebound-Effekt verpuffen Effizienzgewinne häufig, weil geringere Kosten und effizientere Technik die Nutzung von KI noch erhöht. Oft führt dies sogar zu einem höheren Energieverbrauch.

Hinzu kommt, dass der Stromverbrauch nicht nur von der Anzahl der Anfragen abhängt, sondern auch stark von deren Komplexität und der Art des Modells. Ein lokal auf einem Endgerät betriebenes, kleineres Modell kann deutlich weniger Energie benötigen als ein webbasiertes Großmodell in einem Rechenzentrum. Ebenso verursachen kurze, einfache Prompts erheblich weniger Verbrauch als lange, komplexe Anfragen mit umfangreichen Datenverarbeitungen. Für Bildungskontexte heißt das: Auch kleine, häufige Anwendungen sollten bewusst geplant, gebündelt oder reduziert werden – und es lohnt sich, gezielt die energieeffizienteste Modell- und Nutzungsvariante zu wählen.

Soziale und globale Dimensionen

KI ist in komplexe Lieferketten, bestehende Abhängigkeits- und Machtverhältnisse eingebettet: unter anderem der Rohstoffabbau (Seltene Erden), die Chipfertigung, der Bau und Betrieb von Hardwarekomponenten und Rechenzentren, das Training von KIs oder Content-Moderation. Damit gehen Arbeits- und Gesundheitsrisiken, Umweltbelastungen und Landnutzungskonflikte einher. Die benötigten Ressourcen sind häufig Gegenstand geopolitischer Auseinandersetzungen und bewaffneter Konflikte. 

Auf der kulturellen Ebene spiegeln KI-Modelle gesellschaftliche Normen und Stereotype wider; ohne Gegenmaßnahmen entstehen diskriminierende Outputs. Zu diesem Thema findet sich ein eigener Artikel in dieser Broschüre: „Stereotype Diskriminierung und Künstliche Intelligenz“. Darüber hinaus werden bestimmte Tätigkeiten in den sogenannten Globalen Süden ausgelagert und finden dort häufig unter prekären Bedingungen und unzureichendem Gesundheitsschutz statt ‒ Content-Moderator*innen zum Beispiel, deren Aufgabe es ist, Kinderpornografie oder extreme Gewalt aus den KI-Daten zu filtern.

Hinzu kommt ungleiche Wertschöpfung: Ein Großteil der Gewinne fällt in Industrieländern an, während viele Länder des globalen Südens die ökologischen und sozialen Kosten tragen. Auch beim Zugang zu KI-Technologien zeigen sich deutliche Gefälle. Für eine nachhaltige Gestaltung braucht es darum Transparenz, faire Arbeitsbedingungen und politische Rahmen, die Teilhabe und Gerechtigkeit stärken.

Chancenfelder: Wo KI Nachhaltigkeit unterstützt

KI kann – richtig eingesetzt – einen wichtigen Beitrag zu ökologischer, sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit leisten. In der Energiewirtschaft ermöglichen KI-gestützte Systeme die präzisere Prognose von Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen und die intelligente Steuerung von Netzen, um Angebot und Nachfrage besser auszugleichen. Im Mobilitätsbereich helfen KI-Anwendungen, Verkehrsflüsse zu optimieren, Staus zu vermeiden und damit Emissionen zu senken.

Auch in der Landwirtschaft eröffnet KI Chancen: Sie kann helfen, den Einsatz von Wasser, Dünger und Pestiziden zu reduzieren, indem sie Wetter- und Bodendaten auswertet und präzise Handlungsempfehlungen zur sparsamen Ressourcennutzung gibt. In der Verwaltung und im Bildungsbereich kann KI repetitive Aufgaben automatisieren, sodass mehr Zeit für persönliche Interaktion und pädagogische Arbeit bleibt. Außerdem können KI-Modelle wie Chatbots soziale Teilhabe erhöhen, da komplexe Inhalte vereinfacht dargestellt und damit verständlich werden. 

Für Pädagog*innen und Multiplikator*innen bietet sich die Möglichkeit, positive Beispiele gezielt in Bildungsprozesse einzubinden. Gemeinsam mit Teilnehmenden lassen sich praxisnahe Projekte umsetzen, etwa Datenauswertungen für lokale Energieprojekte, KI-gestützte Umweltbeobachtungen oder die Optimierung des Ressourceneinsatzes in Bildungseinrichtungen. So werden Potenziale greifbar, Kompetenzen gestärkt und zugleich ein direkter Beitrag zu den BNE-Zielen geleistet.

Selbstwirksamkeit und Kooperation

Ein Gefühl von Kontrollverlust, Hilflosigkeit und Wirkungslosigkeit kann die Einsatzbereitschaft, sich mit der nachhaltigen Nutzung von KI zu beschäftigen, einschränken. Selbst wenn das Wissen und das Verständnis für die Zusammenhänge vorhanden sind, können Zweifel entstehen, da einzelne Personen die globalen Machtverhältnisse oder den Energieverbrauch von Rechenzentren nicht ändern können. Zielkonflikte erkennen und Dilemmata anzuerkennen, sind wichtige Schritte, um Gestaltungsspielräume auszuloten und zu nutzen. Der ganzheitliche Ansatz der BNE legt nahe, nicht bei Fragen individueller Nutzung von KI zu verharren, sondern gemeinschaftlich an systemischen Lösungen zu arbeiten. Die Einbindung von verschiedenen Akteur*innen bei der Entwicklung und Durchführung von Bildungsprojekten, sowie Förderung von Interaktion zwischen den Teilnehmenden kann Gemeinschaftssinn erzeugen und Selbstwirksamkeit fördern. Kooperatives Lernen stärkt nicht nur die Problemlösungsfähigkeit, sondern auch die Verantwortlichkeit. Nicht zuletzt lassen sich Handlungsoptionen entwickeln und umsetzen, die die systemischen Strukturen adressieren und über individuelle Handlungsveränderung hinaus Änderungen auf struktureller politischer und wirtschaftlicher Ebene einfordern oder herbeizuführen helfen.

Warum BNE der passende Rahmen ist

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und KI-Kompetenz passen gut zusammen: nicht nur Technikkompetenz vermitteln, sondern Auswirkungen sichtbar machen, Zielkonflikte benennen und tragfähige Lösungen im Dialog entwickeln. Für Pädagog*innen bedeutet das, Verantwortung, Gerechtigkeit und Handlungsspielräume im Zusammenhang mit KI in Bildungsveranstaltungen zu thematisieren – nicht nur über zielgerichtetes Prompting und den vermeintlich besten Output.

Zukunftsfähige Bildung ist mehr als Technikvermittlung. Sie befähigt dazu, Ambivalenzen auszuhalten, Auswirkungen kritisch zu prüfen und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln. BNE und KI-Kompetenz verbinden technische Mündigkeit mit ethischer Urteilsfähigkeit und kooperativem Handeln – als Grundlage einer digitalen Transformation, die ökologisch tragfähig, sozial gerecht und demokratisch legitimiert ist.


[1] Doktor Whatson (2025): Wie umweltschädlich ist ChatGPT wirklich?. YouTube. Verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=ej-_4gP2fr8 [Zugriff: 01.10.2025].

von Lukas Spahlinger & Karen Schönherr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert