Peertube im Bildungsbereich – mehr als nur eine YouTube-Alternative

Mal ganz ehrlich: Was stört euch an YouTube? Wenn ich diese Frage stelle, wird in der Regel als Erstes das enorme Werbeangebot genannt. Mittlerweile ist es keine Seltenheit mehr, dass ein 12 minütiges YouTube-Video zwei bis dreimal für eine Werbepause unterbrochen wird. Fast schon so wie damals im Fernsehen, als es noch keine Streamingdienste und Mediatheken gab.

Ein zweiter Punkt, der mich persönlich stört, ist die Auswahl der Werbung sowie die Steuerung der Videoempfehlungen am Ende des Videos durch die Google-Algorithmen. Wir haben in unseren Projekten zahlreiche aufeinander aufbauende Videos, und da ist es eher ungünstig, wenn am Ende andere von YouTube ausgesuchte Videos empfohlen und die Teilnehmer*innen von unserem Angebot weggeleitet werden.

Wenn du dich mit diesen beiden Problemen in irgendeiner Form auch beschäftigst, dann solltest du weiterlesen, denn Werbung, Tracking und Algorithmen sind nun für uns kein Thema mehr auf unseren Projektseiten.

Es beginnt im Fediversum

Vor etwa einem halben Jahr haben wir in unserem Blog über das Fediverse geschrieben, als Elon Musk das erste Mal ankündigte, den Social Media Dienst Twitter zu kaufen. In diesem Artikel ging es um Mastodon, eine freie dezentrale Alternative, die als Teil des Fediversums betrieben wird. Das bedeutet konkret, dass im Prinzip jede Person (mit den entsprechenden Fähigkeiten) Mastodon selbst hosten kann und somit die volle Hoheit über die eigenen Daten und die der Nutzer*innen auf der entsprechenden Instanz hat. Das Besondere an Mastodon ist aber zudem, dass alle selbstgehosteten Instanzen miteinander kommunizieren können und vernetzt sind.

Nun ist aber das Fediversum nicht die Föderation der Twitteralternativen, sondern die der vereinten Netzwerke, was bedeutet, dass es parallel zum Twitter-Pendant auch Alternativen für YouTube (Peertube), Instagram (Pixelfed) und anderen Angeboten gibt, die alle miteinander kommunizieren können. Ein/e Nutzer*in braucht dann lediglich einen Account, um Personen und Einrichtungen auf unterschiedlichen Kanälen zu folgen.

Stellt euch einfach mal vor, ihr bräuchtet nur einen einzigen Account, um jemanden über Facebook, Twitter, YouTube, Instagram etc zu folgen. Ein Traum 🙂

Peertube statt YouTube?

An dieser Stelle muss ich ein wenig die bisherige Wortwahl relativieren. Alternativen sollen doch einen fast identischen Funktionsumfang bieten und sind zudem sehr vom persönlichen Einsatz abhängig. Ein iPad ist zum Beispiel eine äusserst schlechte Alternative zu einer Tageszeitung, wenn ich auf der Jagd nach Fliegen bin. Genau so ist Peertube auch nur bedingt eine Alternative zu YouTube, weil die durch die Marktmacht von Google ausgehende Sichtbarkeit und Prominenz über Suchmaschinen sowie die quantitativ hochwertige Communityfunktion nicht in einem vergleichbaren Maße verfügbar sind. Dafür können über Peertube Videos gehostet und frei von Tracking-Programmen, Algorithmen und Werbung den Nutzer*innen zur Verfügung gestellt werden.

Mit Hilfe von Peertube stellen wir nun unsere Videos sowohl in einem eigenen Kanal als auch in unseren Projektwebsites wie erwachsenenbildung.digital und hier im Blog künftig werbefrei zur Verfügung, während der YouTube Kanal mit der bisherigen Community weiterhin parallel betreut wird.

Der Weg zum eigenen Peertube-Kanal

Wie oben geschrieben, gibt es in einem dezentralen Netzwerk nicht „DEN Anbieter“ oder „DIE Anbieterin“. Jede Person, die sich technisch in der Lage dafür sieht, kann eine eigene Instanz ins Leben rufen, die dann von anderen Personen mit eigenen Kanälen genutzt werden kann. Diese Kanäle sind dann im Internet unter https://Instanz.de/Name_der_Benutzer*in erreichbar. Für Einsteiger*innen gibt es unter https://joinpeertube.org/de/instances ist eine schöne Übersicht über solche Instanzen, bei denen man sich kostenlos anmelden kann. Einmal angemeldet, kann dort in wenigen Schritten ein Kanal eingerichtet werden, über den, genau wie bei YouTube, Videos zur Verfügung gestellt werden. Wir haben uns aus unten stehenden Gründen dazu entschieden, über einen Dienstleister eine eigene Instanz hosten zu lassen, die unter peertube.bildung-ekhn.de für die Bildungsarbeit im Zentrum Bildung zur Verfügung steht.

Was gibt es zu beachten?

Wie bereits angedeutet, gibt es bei der Nutzung von Peertube ein paar Sachen zu beachten, auf die ich hier gerne eingehen möchte. Gerne lade ich ein, in den Kommentaren zu ergänzen und/oder zu vervollständigen.

Die Peertube-Instanzen werden in der Regel ehrenamtlich von Privatpersonen oder Vereinen zur Verfügung gestellt. Das bedeutet konkret, dass es zwischen den einzelnen Instanzen Unterschiede in Bezug auf Leistung, Speicherplatz, Wartung, Stabilität und auch Zukunftsfähigkeit gibt. Wer also in diesen Punkten Sicherheit haben möchte, kann zum Beispiel eine Anbieter*in beauftragen, das Hosting zu übernehmen. Hier lassen sich mit einer einfachen Internet-Suche nach „Peertube“ und „Hosting“ schnell welche finden.

Wer eine Instanz anderen Personen anbietet, sollte besonderes Augenmerk auf die rechtlichen Aspekte legen. Während es bei YouTube einen Rahmenvertrag mit der GEMA gibt, worüber eventuelle Urheberrechtsverletzungen reguliert werden, liegt bei Peertube das Risiko bei den Kanal- und Instanzbetreiber*innen.

Ein Kritikpunkt, der in Verbindung mit Peertube zu lesen ist, wäre das verwendete Peer2Peer Verfahren, wodurch die eigene IP Adresse an andere Nutzer*innen (Peers) gesendet wird und worduch jede Empfänger*in auch zur Sender*in wird. Dieses Verfahren dient der besseren Lastenverteilung, birgt aber ein Risiko bei urheberrechtlich geschütztem Material. Wer also auf Nummer sicher gehen möchte, kann diese Funktion in seinem eigenen Kanal unter Mein Konto / Videoeinstellungen / „Helfen Sie dabei, Videos zu verteilen, die abgespielt werden“ deaktivieren. Instanzbetreiber*innen können diese Peerfunktion auch vom Server-Administrator komplett ausschalten lassen.

Wie geht es weiter?

Eine gute Frage 🙂 Wir lernen gerade selbst sehr viel und werden im Fachbereich unsere eigene Peertube Instanz nutzen, um im Blog und auf den Projektwebseiten unsere Videos werbe- und trackingfrei anzubieten. Allein der Gedanke, unabhängig von den Algorithmen und Launen der großen Anbieter*innen zu sein, gefällt uns sehr. Alles weitere wird sich ergeben. Wir sind gerade an einem sehr interessanten Punkt, an dem das Fediversum durch die Ereignisse rund um Twitter und Elon Musk eine völlig neue Dynamik bekommt und freuen uns, diese mit gestalten zu können. Natürlich freuen wir uns auch über Feedback und Rückmeldungen von unseren Leser*innen, die in vielen Bereich selbst sehr aktiv sind und unterschiedlichste Expertisen entwickelt haben. Nutzt ihr das Fediverse? Wenn ja, warum und welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Und vor allem: welche Gründe seht ihr, das Fediversum nicht zu nutzen? Fragen über Fragen…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert