Kulturwandel durch Digitalisierung Teil 5 – Umgang mit Hass und Meinungsverschiedenheit im Netz

Der Online-Talk mit dem Titel „That Escalated Quickly – Hass und Meinungsverschiedenheiten im Netz“ befasste sich mit den Herausforderungen und Auswirkungen von Hate Speech im Internet.

Der Online-Talk mit dem Titel „That Escalated Quickly – Hass und Meinungsverschiedenheiten im Netz“ befasste sich mit den Herausforderungen und Auswirkungen von Hate Speech im Internet.

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Christian Gottas moderierte die Veranstaltung, bei der zwei prominente Gäste ihre Expertise einbrachten: Deborah Woldemichel, Leiterin der Medienkompetenz bei der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz und verantwortlich für die Initiative „klicksafe“, sowie Valentin Dander, Erziehungswissenschaftler und Experte für Medienbildung. Beide diskutierten die zunehmende Bedrohung, die Hasskommentare für die digitale Kommunikation und den demokratischen Diskurs darstellen.

Gottas begann mit einer kurzen Einführung in die Thematik und verwies darauf, dass Hate Speech kein neues Phänomen ist, durch die Digitalisierung aber eine neue Dimension erreicht hat. Woldemichel unterstrich, dass Plattformen wie Facebook und Twitter mittlerweile Schauplätze von verbaler Gewalt und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geworden sind. Besonders betroffen sind junge Menschen, Frauen, LGBTQ+-Personen sowie Menschen mit Migrationshintergrund. Woldemichel erläuterte, dass „klicksafe“ in enger Zusammenarbeit mit Meldestellen steht und betonte, dass es nicht nur um Beleidigungen gehe, sondern zunehmend um eine Bedrohung der Meinungsvielfalt und der Demokratie selbst.

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Valentin Dander brachte die Ergebnisse der Studie „Lauter Hass, leiser Rückzug – Wie Hass im Netz den demokratischen Diskurs bedroht“ ein. Diese zeigt, dass vor allem junge Frauen, Bi- und Homosexuelle sowie Personen mit Migrationshintergrund vermehrt Opfer von Hasskommentaren im Netz werden. Diese Angriffe führen oft dazu, dass sich die Betroffenen aus digitalen Diskursen zurückziehen. Dander erklärte, dass dies zu einer Verzerrung der öffentlichen Debatte führt: „Wenn bestimmte Gruppen aufgrund von Hass und Hetze aus Diskussionen verdrängt werden, haben wir eine asymmetrische Beteiligung, die die Demokratie gefährdet.“ Der Rückzug dieser Menschen aus dem öffentlichen Diskurs verlagere das Gewicht hin zu jenen, die in diesen Räumen dominieren – oft Stimmen, die weniger tolerant und demokratisch eingestellt seien.

Eine wesentliche Frage, die im Talk behandelt wurde, betraf die Verantwortung von Bildungseinrichtungen und Lehrkräften im Umgang mit dieser Problematik. Sowohl Woldemichel als auch Dander betonten die Rolle der Medienpädagogik und die Notwendigkeit, junge Menschen zu stärken und zu ermutigen, im Netz Haltung zu zeigen. Es gehe dabei nicht nur um das Erlernen technischer Fähigkeiten, sondern auch um die Stärkung der Zivilcourage. Woldemichel erwähnte die Bedeutung von Präventionsarbeit in Schulen und Klassenchats. Lehrkräfte könnten Schüler*innen durch gezielte Medienarbeit ermutigen, sich gegen Hass zu wehren und Diskriminierungen zu melden. Zudem wies sie auf die umfangreichen Materialien hin, die „klicksafe“ anbietet, um Jugendliche in solchen Situationen zu unterstützen.

Ein wichtiger Aspekt des Gesprächs war die Frage, welche Haltung Lehrerinnen und Bildungsakteure gegenüber Hate Speech einnehmen sollten. Woldemichel plädierte für Zivilcourage, also den Mut, in digitalen Räumen für andere einzustehen und Hass zu widersprechen. Sie betonte, dass es dabei vor allem darauf ankomme, den Schülerinnen zu zeigen, wie sie sich in solchen Situationen richtig verhalten und wo sie Unterstützung finden könnten – sowohl in der Schule als auch durch Beratungsstellen im Netz. Dander ergänzte, dass Pädagog*innen zwar in erster Linie den Dialog suchen sollten, bei wiederholten Übergriffen oder ideologisch gefestigten Einstellungen jedoch rechtliche Schritte erwogen werden müssten.

Die Diskussion beleuchtete auch die Rolle der großen Plattformen und die Frage der Regulierung. Dander und Woldemichel waren sich einig, dass der neue Digital Services Act (DSA) eine wichtige Grundlage bietet, um Plattformen stärker in die Verantwortung zu nehmen. Dieser zielt darauf ab, sicherzustellen, dass soziale Netzwerke Maßnahmen ergreifen, um Hass und Hetze einzudämmen und ihren Nutzer*innen sichere Räume zu bieten. Dander betonte jedoch, dass Regulierung allein nicht ausreiche. Vielmehr müssten Bildungsinstitutionen und zivilgesellschaftliche Akteure gemeinsam daran arbeiten, digitale Zivilcourage zu fördern.

In der abschließenden Fragerunde wurde die Problematik vertieft, wie Lehrkräfte in Regionen oder Klassen mit stark rechtsorientierten oder populistischen Einstellungen agieren können. Woldemichel und Dander betonten, dass eine solche Herausforderung zwar schwierig sei, aber die kontinuierliche Arbeit an demokratischen Werten und der Ausbau von Medienkompetenz langfristig ein Gegengewicht bilden könnten. Gleichzeitig verwiesen sie darauf, dass Lehrkräfte und Multiplikator*innen die Unterstützung von Schulleitungen und Bildungsbehörden bräuchten, um in solchen Situationen nicht alleine dazustehen.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass Hate Speech im Netz nicht nur individuelle Opfer betrifft, sondern die Gesellschaft als Ganzes. Durch den Rückzug einzelner Gruppen aus dem Diskurs wird die Demokratie geschwächt. Um dem entgegenzuwirken, bedarf es eines gesamtgesellschaftlichen Engagements, das von der Regulierung großer Plattformen bis hin zur medienpädagogischen Arbeit an Schulen reicht.

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